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Energie

Autor: Diekmann, Bernd; Rosenthal, Eberhard

Das Buch „ Energie “ von PD Dr. Bernd Diekmann und Dr. Eberhard Rosenthal hat den vermutlich höchsten Anspruch, den ich je in einem Buch gefunden habe: eine vollständige Zusammenstellung möglicher Energiequellen (und Speicher- sowie Umwandlungstechnologien) zu bieten. Ganz klar: diesem selbst gestellten Anspruch wird das Buch nicht gerecht. Auch wenn es nicht schlecht ist und mir durchaus gut gefällt. Dass es, um dem Anspruch an Vollständigkeit zu genügen, vermutlich doppelt so dick sein müsste, sei dahingestellt.

Inhaltlich umfasst das Buch in sehr systematischer Ausführung nicht nur die Grundlagen der Energieformen und der Thermodynamik, sondern auch zu (fast) allen Energiequellen, Energieträgern und Energiespeichern das erforderliche Wissen, das sowohl für Laien als auch für (angehende) Experten in vielerlei Umfeld jederzeit nützlich ist. Dabei wird sowohl die politische, ökonomische und ökologische Situation dargestellt, aber auch technisch tief ins Detail gegangen. Im Gegensatz zum Anteil der Energieträger an der weltweiten Energieversorgung wird jedoch nur relativ kurz auf fossile Energieträger eingegangen (<20 Seiten), dafür werden aber auf rund 120 Seiten die erneuerbaren Energien wie Sonne, Wind, Biomasse, Wasser und Geothermie dargestellt. Die Energiespeicherung umfasst gut 30 Seiten. Auf rund 90 Seiten wird Kernspaltung und Kernfusion erklärt. Weitere Themen, die behandelt werden, sind die elektrische Energieversorgung, Verkehr und Transport, Gebäude sowie Umweltbelastungen und Risiken der Energieerzeugung. Diese Verteilung zeigt schon, dass manche Themen entweder den Autoren vertrauter sind als andere oder aber dass der Zeitgeist resp. die Intention der Autoren diese Ungleichverteilung herbeigeführt hat.

Mangels praktischer Erfahrung kann ich die Kapitel über Kernspaltung und Kernfusion nicht beurteilen. Auch das Kapitel über Kohle, Erdöl und Erdgas kann ich nur in einem Aspekt gut beurteilen: es ist viel zu kurz und umfasst noch nicht einmal einen Bruchteil der relevanten Fakten. Keinerlei Informationen finden sich zum Beispiel über Fracking – vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen wäre das sicher angemessen gewesen. Auch über die Energieverteilung mittels Pipelines und Schiffen findet sich nichts Substantielles; mich zumindest hätte das interessiert und geholfen, einige politische Entwicklungen besser zu verstehen.

Das Kapitel „Erneuerbare Energien“ zeigt sehr umfassend, wie Sonnenenergie – ausgehend vom Strahlungshaushalt der Erde – sowie daraus resultierende Energieformen wie Wind, Biomasse etc. genutzt werden kann. Es geht dabei für Fachleute auf die Grundgleichungen ein vermittelt die Grundlagen, um die Sachverhalte gut zu verstehen, erklärt aber für mathematisch weniger versierte Leser anhand guter Grafiken die Zusammenhänge auch vereinfacht. Einzig die Hydrothermale Carbonisierung, also die Umwandlung von Biomasse in Kohle unter Anwendung von Druck und Temperatur, habe ich vermisst.

Das Kapitel „Energiespeicher“ konzentriert sich vor allem auf elektrische Speicher in Form von Akkumulatoren. Andere Energiespeicher wie Pumpspeicherkraftwerke, Druckluftspeicher oder die Umwandlung in Gas (z.B. Wasserstoff) werden relativ knapp behandelt. Insbesondere im Bereich der Wasserstoffspeicherung – meinem Steckenpferd – sind leider einige Dinge zu stark vereinfacht und fachlich nicht korrekte Aussagen zu finden. Beispielsweise ist schon lange erwiesen, dass die Publikation, die für Nanotubes eine Speicherkapazität von 60% „nachgewiesen“ hat, auf einem groben Messfehler beruhte und die wirkliche Speicherkapazität in der Größenordnung von Aktivkohle liegt. Ebenso wird Wasserstoff in Metallhydriden nicht adsorbiert, sondern absorbiert. Klingt ähnlich, ist aber ein anderer Mechanismus. Diese Fehler sind sicher der Tatsache geschuldet, dass die Autoren ihr (Halb-)wissen offenbar aus Internetquellen bezogen haben (siehe Literaturverzeichnis) und nicht aus wissenschaftlichen Originalquellen der führenden Experten. Schade, das sollte bei einem Buch mit diesem Anspruch nicht passieren.

Schade finde ich ebenfalls, dass das Themenfeld „Power-to-Gas“ insgesamt sehr stiefmütterlich behandelt wird. Beispielsweise könnte in der Einspeisung von in Gas umgewandeltem Strom in Form von Wasserstoff oder Methan in das Erdgasnetz eine Chance liegen. Dies wird jedoch nicht erwähnt resp. erörtert.

Kapitel 8 geht auf „Verkehr und Transport“ ein. Hier versuchen die Autoren, die Grundlagen der Motorentechnik, der Abgasnachbehandlung sowie der Gastturbinentechnik zu vermitteln. Dass diese Ausführungen sehr kurz sind und maximal einen groben Überblick geben können, liegt auf der Hand. In einem Teilkapitel wird vergleichend auf verschiedene Mobilitätslösungen und deren Energiebedarf ein. Dieses enthält viele interessante Aspekte, übersichtlich dargestellt in Tabellen. Leider sind auch hier sehr viele Internetquellen die Grundlage, so dass ich manchmal unsicher bin, wie viel davon wissenschaftlich hinterlegt und „Fakt“ ist und wie viel nicht. Beispielsweise geben die Autoren in Kapitel 8.2.2 an, bestimmte Radnabenmotoren könnten im Dauerbetrieb 900Nm Drehmoment liefern. Mal abgesehen davon, dass die angegebene Quelle diesen Wert als kurzzeitigen Spitzenwert nennt, halte ich es insgesamt für ein Gerücht: 4 Räder mit je 900 Nm Drehmoment ist mehr als das Dreifache des Bugatti Veyron und kaum sinnvoll umsetzbar.

Kapitel 9 umfasst alle Aspekte der Energienutzung in Gebäuden, von der Energieeinsparverordnung (EnEV), Aspekten der Gebäudedämmung, Verlusten durch Fenster, der Heizungstechnik inkl. Wärmepumpen, aber auch der Aspekt „Licht“ mit den politisch intensiv diskutierten unterschiedlichen Arten von Lampen. Da ich insbesondere im Thema Licht fachlich weitgehender Laie bin, hat mir die hier gegebene Übersicht gut gefallen.

Kapitel 10 befasst sich mit der Umweltbelastung und Risiken der Energieerzeugung. Abgesehen davon, dass es thermodynamisch nicht korrekt ist, von „Energieerzeugung“ zu sprechen (umgangssprachlich mag das ok sein, aber in einem Grundlagenbuch über Energie ist es das nicht) ist es ein Kapitel, bei dem die Autoren nur verlieren können. Ist es zu knapp (was es meiner Meinung nach ist), ist das Bild unvollständig resp. verzerrt und man kann ihnen Absicht unterstellen. Ist es jedoch umfassend, füllt es alleine ein ganzes Buch. Insofern ist kann man es als Einführung in die Thematik sehen – mehr jedoch nicht.
Alles in allem ein gutes Buch mit vielen interessanten Fakten, guten Grafiken und guten, erläuternden Formeln. Der Schreibstil gefällt mir sehr gut und macht das Buch leicht lesbar.

Es ist jedoch offensichtlich, dass das Buch alles andere als vollständig ist und von der Tiefe der Kapitel auch nicht ausgewogen ist. Während der Leser beispielsweise im Kapitel über Windkraftanlagen seitenweise mit Gleichungen bombardiert wird („Unter Verwendung der dritten binomischen Formel ergibt sich…“), gibt es zum Thema fossile Energieträger keine einzige. Auch hätte ich erwartet, dass das Wissen in einem Grundlagenbuch aus Originalquellen bezogen wird und nur in Ausnahmefällen (z.B. Produktinformationen, politische Entwicklungen) aus Online-Artikeln.

Dennoch würde ich das Buch wieder kaufen und werde es in Zukunft auch immer wieder nutzen können.

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