Wärmeaustauscher
Autor: Wagner, Walter
„Wärmeaustauscher“ von Walter Wagner hat nicht den Anspruch, ein physikalisch dogmatisches Grundlagenwerk zu sein, sondern zielt einzig darauf ab, dem praktisch arbeitenden Ingenieur ein nützliches, kompaktes Werkzeug zur Verfügung zu stellen.
Als Inhaber eines Ingenieurbüros für Thermodynamik, Strömungsmechanik und Chemische Reaktionstechnik habe ich jeden Tag mit der Auslegung, Berechnung und Optimierung von Wärmetauschern zu tun. Dieses Buch ist eines von vielen zu diesem Thema in unserer Firmenbibliothek.
Mein Kurzfazit lautet: wenn ich kein Experte wäre, würde mich dieses Buch vermutlich überfordern und mit der dargebotenen Menge an Formeln wohl erschlagen. Auch das zweispaltige Layout des Vogel-Verlages muss man mögen.
Mein umfassenderes Fazit lautet: Walter Wagner ist mit seiner Firma WTS (Wagner Technik Service), seinen Seminaren und seinen zahlreichen Fachpublikationen zum Thema Wärmetauscher, Wärmeträger und Rohrleitungstechnik sicher einer der profiliertesten Referenten zu diesem Themenfeld in Deutschland. Entsprechend hoch liegt die Messlatte. Und der wird das Buch gerecht. Es wendet sich dabei eindeutig an Ingenieure mit solidem Vorwissen in Wärmeübertragung, Strömungsmechanik und Apparatebau. Natürlich fängt das Buch „am Anfang“ an – ich bin jedoch sicher, dass ein Anfänger das Tempo des Buches nicht halten könnte.
Ausgehend von den Grundlagen der Wärmeübertragung, der Energiebilanzen und von wichtigen Kennzahlen (z.B. Nusselt-Zahl, Reynolds-Zahl, Froude-Zahl) geht Walter Wagner direkt in Medias Res: Kapitel 4 erklärt auf knapp 20 Seiten alles über die Berechnung der Wärmeübertragung. Behandelt werden Wärmeleitung, Konvektion, Kondensation, Verdampfung, Strahlung und die Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten sowie die mittlere Temperaturdifferenz.
Kapitel 5 erklärt dann auf 25 so ziemlich alle Nusselt-Korrelationen, die es gibt und die für die Praxis relevant sind. Als Beispiele seien die Wärmeübertragung bei einer überströmten Platte, Wärmeübertragung in einem Rohr, Wärmeübergang an einem quer angeströmten Rohr, aber auch der konvektive Wärmeübergang in Rohrwendeln und umströmte Körper genannt. Dabei unterscheidet Wagner natürlich den laminaren und turbulenten Fall sowie den Übergangsbereich. Auch die Anlaufströmung resp. die Einlaufstrecke wird in Formeln erklärt. Das Teilkapitel 5.8 erklärt schließlich die Berechnung quer angeströmter Rohrbündel-Wärmetauscher, da dies ja ein „Spezialfall“ des Einzelrohres ist. Ich habe nicht alle Formeln genau überprüft, aber mir ist aufgefallen, dass es hier teilweise leichte Unterschiede zum VDI-Wärmeatlas gibt (wobei mir Stand heute nicht bekannt ist, wer „Recht“ hat).
Kapitel 6 umfasst das wichtige Gebiet des Druckverlustes in Rohrbündelwärmetauschern, wobei der Druckverlust im Mantelraum der Fokus ist.
Kapitel 7 erklärt gleichermaßen kompakt alles, was man über das Schwingungsverhalten von Wärmetauscherrohren wissen muss und welche Abhilfemaßnahmen sich bewährt haben.
Danach folgen rund 120 Seiten, die für den Praktiker sehr hilfreich sind: es geht um Bauformen und die Betriebscharakteristik, wobei nicht nur Formeln, sondern auchzahlreiche Grafiken und Fotos erklären, worauf zu achten ist und wie wichtige Details gelöst werden können. In diesem Kapitel kommen auch die Spiralwärmetauscher und Plattenwärmetauscher „zu ehren“. In Anbetracht der praktischen Bedeutung insbesondere des klassischen Plattenwärmetauschers natürlich ein Schattendasein, aber der Autor gibt die Begründung selbst: aufgrund der sehr großen Anzahl an möglichen Plattenprägungen ist eine universelle Berechnungsmethodik nicht möglich. Er verweist darauf, dass die Wärmeübertragungscharakteristik und der Druckverlust experimentell ermittelt werden müssten. Ich hätte hier hinzugefügt: alternativ können diese Werte per CFD-Simulation berechnet werden.
In den Kapiteln 11 und 12 erklärt Wagner noch kurz die zentralen Aspekte der Gewährleistung sowie der Kostenschätzung von Wärmetauschern.
Abgerundet wird das Buch von einem Anhang, der über 40 Fotos von Wärmetauschernaller Art enthält. Das mag vielleicht etwas „unwissenschaftlich“ wirken, aber für uns als Ingenieurbüro ist es sehr hilfreich, wenn wir dem Kunden „mal kurz“ ein Foto zeigen können, wie wir uns einen neuen Wärmetauscher von der grundsätzlichen Bauart her vorstellen.
Alles in allem ist die Didaktik von Walter Wagner das, was man landläufig als „Schweinsgalopp“ bezeichnen kann. Wer vorher noch nie Wärmetauscher gerechnet hat, wird sich mit diesem Buch schwer tun. Es ist einfach sehr kompakt, die Erklärungen sind teilweise kaum vorhanden, und eine Formel jagt die nächste. Aber für Leute, die wissen, was sie tun und nur die Formeln nicht auswendig wissen (wer weiß die schon?), ist das Buch ideal. Das einzige „Gefahrenpotential“, das ich kritisch finde, ist die Berechnung der Kondensation. Die Abhandlung ist nicht nur sehr knapp, es fehlt auch ein Verweis, dass Inertgase die Kondensationsleistung massiv beeinträchtigen können. Dieses (nach meiner bescheidenen Erfahrung in der Praxis hoch relevante!) Thema behandeln zwar fast alle Autoren stiefmütterlich, aber ein Hinweis gäbe dem Leser die Chance, in diesem Fall ein ausführlicheres Fachbuch (z.B. von Stephan) zu konsultieren.
Als Kritikpunkt möchte ich anmerken, dass ich das zweispaltige Layout des Vogel-Verlages nicht mag, da es den Inhalt noch gedrängter darstellt und nicht wenige Formeln in zwei Zeilen zwingt.
Fazit: klare Kaufempfehlung für alle Praktiker!