Energiewende 3.0 – Mit Wasserstoff und Brennstoffzellen
Autor: Geitmann, Sven
Ich kenne und schätze Sven Geitmann als Autor, Verleger und Journalist, der sich auf das Fachgebiet Wasserstoff und Brennstoffzellen spezialisiert hat, seit langem. In seinem Blog berichtet er immer wieder über interessante Neuigkeiten und hat für die „Community“ sicher eine sehr wichtige Nische besetzt und füllt diese mit Leidenschaft aus. Deshalb habe ich mir auch das Buch gekauft.
Nach über 10 Jahren intensiver Erfahrung im Bereich Wasserstoff und in Projekten weltweit aktiv, stufe ich mich sicherlich als Experten ein und bin somit nicht die Ziel-Leserschaft dieses Buches. Es ist, wie andere Rezensenten schon angemerkt haben, für interessierte Laien mit etwas Vorwissen geschrieben.
Leider bin ich nach der Lektüre dennoch enttäuscht. Aufgrund des Titels hatte ich gehofft und angenommen, dass das Buch Wege aufzeigt (Geitmann selbst verwendet das Wort „skizziert“), wie die Wasserstoffwirtschaft umgesetzt werden kann, wo wir auf dem Weg dorthin stehen und was noch fehlt. Stattdessen ist es eine Übersicht über den Stand der Technik – teilweise nicht ganz aktuell – von sehr vielen Komponenten. Es fängt mit einer allgemeinen Übersicht über die Energiewirtschaft allgemein an, geht dann bis tief in die Grundlagen (z.B. wird der Begriff „Emissionen“ definiert) und macht dann einen Rundumschlag über viele Aspekte der Wasserstoff-Technik (weniger jedoch die –wirtschaft) mit Fokus Deutschland.
Einiges ist gut dargestellt und für den Laien sicher sehr interessant, aber insbesondere in meinen Spezialgebieten Wasserstoffspeicherung und Wasserstoffinfrastruktur ist zu viel für meinen Geschmack unsauber recherchiert, komplexe Zusammenhänge sind zu knapp (und somit verfälscht) dargestellt, und es fehlen meiner Meinung nach viele wichtige und auch erwähnenswerte Fakten.
Beispiele sind Sätze wie „Für Druckgasflaschen gilt 30 bar als Obergrenze“ (das stimmt sicher nicht) oder „die negative Verbrennungsenergie […] von Wasserstoff […] ist niedriger als die von Kohlenstoff […], schließlich nimmt nur halb so viel Sauerstoff an der Reaktion teil“ (Was ist die „negative Verbrennungsenergie“? Und „halb so viel Sauerstoff“ ist noch lange kein Beweis für eine niedrigere Reaktionsenthalpie…). Auch im Kapitel über Druckgasspeicherung und Metallhydride sind – für den Fachmann erkennbar – einige fachliche Schwächen erkennbar (z.B. ist die Angabe für das Gewicht von Druckgasspeichern in Abbildung 26 viel zu hoch, und dass Toyota und Honda sich noch vor der Jahrtausendwende von Feststoffspeichern verabschiedet hätten, ist ebenfalls nicht korrekt).
Was mir vollkommen fehlt, ist z.B. ein Verweis auf die sehr umfassende und interessante Studie „GermanHy“ der DENA, die unter anderem aufzeigt, wie die Wasserstoffversorgung und -infrastruktur bis 2050 aussehen kann. Ebenso wenig wird auf den meiner Meinung nach bemerkenswerten Umstand hingewiesen, dass es gelungen ist mit der Norm SAE J2600 und der SAE J2601 eine weltweit einheitliche Befüllschnittstelle und ein weltweit einheitliches Befüllprotokoll für Wasserstofffahrzeuge zu etablieren. Dass dies im Bereich Wasserstoff – im Gegensatz z.B. zu CNG, Stromladesäulen, aber auch Basis-Infrastruktur wie Hochspannungsnetzen, Rechts-/Linksverkehr etc. – gelungen ist, halte ich für einen herausragenden Erfolg, der zwingend zu betonen ist.
Summa summarum ist das Buch gut gemeint und könnte sicher auch einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Bausteins Wasserstoff in der Energieversorgung der Zukunft leisten. In dieser Form ist es jedoch leider nur für Laien geeignet, die über viele Aspekte einen groben Überblick erhalten wollen.