Wasserstoff in der Fahrzeugtechnik

Autor: Eichlseder, Helmut; Klell, Manfred

Wasserstoff in der Fahrzeugtechnik von Prof. Helmut Eichlseder und Prof. Manfred Klell von der TU Graz war ein Buch, das mich besonders interessiert hat. Seit mehr als 10 Jahren beschäftige ich mich intensiv vor allem mit der Wasserstoffspeicherung und der erforderlichen Infrastruktur, um lokal emissionsfreie Fahrzeuge zu ermöglichen.

Das Buch ist gegliedert, wie man es von vergleichbaren Büchern kennt: Allgemeines, Geschichtliches, Grundlagen und dann die im Titel versprochenen Kapitel über Wasserstofferzeugung, Wasserstoffspeicherung und –transport, Wasserstoff-Verbrennungsmotoren inklusive Gemische aus Wasserstoff und Methan, Brennstoffzellen, Weitere Anwendungen, Werkstoffe und Regularien.

Das erste Kapitel ist für meinen Geschmack sehr wertvoll: es zeigt auf etwa 20 Seiten auf, welche Rolle der Wasserstoff als Energieträger spielt und welche er in Zukunft spielen kann. Kapitel 2 greift die Historie der Brennstoffzelle und der Wasserstoffnutzung auf. Interessant, aber nicht lebensnotwendig. Und definitiv unvollständig. Es fehlen viele Meilensteine, die z.B. die Firma Daimler resp. Daimler-Benz gesetzt hat. Als Beispiel sei Necar 1 genannt, ein Brennstoffzellenfahrzeug, das 1994 realisiert wurde (und in einem späteren Kapitel sogar abgebildet ist).

Kapitel 3 ist für mich als Thermodynamiker natürlich ein Heimspiel. Die Autoren, beide Professoren für Thermodynamik, erklären alle relevanten Zusammenhänge, von der Zustandsberechnung über die physikalische Chemie, die Reaktionstechnik und die Verbrennungsrechnung von Wasserstoff.

Kapitel 4 geht in zahlreichen Teilkapiteln auf die unterschiedlichsten Verfahren zu Wasserstofferzeugung ein. Von der Dampfreformierung über die partielle Oxidation und die autotherme Reformierung bis hin zur Pyrolyse von Glycerin gehen die Autoren auf viele Prozesse ein. Der Elektrolyse ist ein eigenes, umfassendes Kapitel gewidmet. Selbst über biologische Wasserstofferzeugung, die bekanntlich noch im Grundlagenforschungsstadium ist, enthält das Buch gut drei Seiten.

In Kapitel 5 geht es um die Wasserstoffspeicherung und den Transport von Wasserstoff. Während einige Ausführungen über die verwendeten Komponenten und Technologien Stand heute nicht mehr ganz aktuell sind, ist das Kapitel dennoch sehr gut. Die Autoren verstehen es, die Thermodynamik der Verdichtung, der Expansion sowie der Flüssigwasserstoffspeicherung im Detail darzulegen. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass der Fokus sehr stark auf dem Bereich Flüssigwasserstoff liegt. Feststoffspeicherung (z.B. Wasserstoffspeicherung in Metallhydriden) wird nur kurz angeschnitten, und auch die Analyse von Druckspeichersystemen könnte umfassender sein. Beispielsweise werden alle thermodynamischen Analysen auf Basis der Annahme „ideales Gas“ getroffen. Der Fehler bei 70MPa ist in der Dichteberechnung – wie die Autoren auch selbst feststellen – bei etwa 50% im Vergleich zum Realgas.

In Kapitel 6 konnten die Autoren, die ja am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik lehren, ihre Stärken ausspielen. Es werden im Wesentlichen die Wasserstoff-Verbrennungsmotoren von BMW, MAN sowie der Wankelmotor von Mazda analysiert. Auch wenn dieses Thema im Moment keine praktische Rolle mehr spielt, da alle genannten Hersteller die entsprechenden Forschungsprojekte eingestellt haben, ist es gut, das Wissen für die Zukunft zu erhalten.

Kapitel 7 befasst sich mit Gemischen aus Wasserstoff und Methan. Es ist – gemessen an der praktischen Verbreitung dieser Technologie – sehr lang. Der Grund dafür wird sein, dass das Institut der beiden Autoren sich über längere Zeit mit dem Thema beschäftigt hat und eine E-Klasse von Mercedes-Benz (E200 NGT) auf den Betrieb mit einem Methan-Wasserstoffgemisch umgerüstet hat.

Kapitel 8 ist das Kapitel über Brennstoffzellen. Allerdings bleibt dieses Kapitel – vermutlich aufgrund des Fokus der Autoren – recht oberflächlich. Nach einigen grundlegenden Formeln folgen Übersichten über die verschiedenen Arten der Brennstoffzellen. Der Fokus hier sind die Brennstoffzellenstacks. Die Brennstoffzellensystemtechnik, also z.B. die Luftversorgung, die Befeuchtung sowie die Zuführung des Wasserstoffs, werden nicht erwähnt. Dafür werden SOFC, DMFC und MCFC erklärt, die mit Fahrzeugtechnik nichts zu tun haben, sondern nur stationär eingesetzt werden.

Kapitel 9 ist als Exkurs-Kapitel deklariert und zeigt zahlreiche Anwendungen von Wasserstoff außerhalb der Fahrzeugtechnik auf. Von Raffinerieprozessen, der Ammoniaksynthese nach dem Haber-Bosch-Verfahren bis hin zur Lebensmittelchemie und der Metallurgie wird vielen interessanten Bereichen ein Abschnitt gewidmet.

Kapitel 10 fasst das Wissen der Autoren in den Bereichen Werkstoffe, Recht und Wasserstoffsicherheit zusammen. Auch wenn hier nur wenig neue Forschungsergebnisse enthalten sind, ist das Kapitel dennoch eine gute Übersicht über den grundlegenden Stand des Wissens. Themen, die angesprochen werden, sind Wasserstoffversprödung, Werkstoffauswahl (austenitischer Edelstahl, mögliche Kunststoffe), Druckgeräterichtlinie, Explosionsschutz (ATEX) sowie die EC 79/2009.

Alles in allem ist „Wasserstoff in der Fahrzeugtechnik“ ein gutes Buch. Nun kommt mein Aber:

In Kapitel 1 sind zahlreiche Grafiken, die verschiedene Well-to-Wheel-Wirkungsgrade aufzeigen. Diese sind grundsätzlich so, wie ich sie erwartet hätte. Aber im Detail habe ich Fragen. Nur wo sind sie her? Quellenangaben? Fehlanzeige. Es soll schon mal Minister gegeben haben, die wegen fehlender Quellen zurücktreten mussten. Dass zwei renommierte Professoren es selbst in der dritten Ausgabe ihres Buches nicht schaffen, die Quellen sauber anzugeben, finde ich nicht gut und zeigt, dass hier nicht sauber gearbeitet wurde.

Auch ist die Verteilung der Themen nicht ausgewogen. Der Lehrstuhl hat offensichtlich mehrere Sponsoren für Projekte – OMV, Linde, MagnaSteyr, BMW und AVL – die in dem Buch regelmäßig erwähnt werden. Das ist grundsätzlich sicher nicht verwerflich. Aber im Bereich Wasserstoff in der Kraftfahrzeugtechnik haben Firmen wie Daimler, Opel, Toyota und Honda mindestens gleichwertige Pionierleistungen vollbracht. Diese sollten, wenn das Buch allgemeingültigen Charakter haben soll, mindestens auch gewürdigt werden.

Auch gemessen an der heutigen Realität sind die Themen, die Eichlseder und Klell fokussiert haben, eher exotisch: Alle großen Automobilhersteller konzentrieren sich auf Brennstoffzellenantriebe mit PEM-Stacks und die gasförmige Speicherung bei 70MPa. Die Infrastruktur ist ebenfalls darauf ausgelegt, und für die Betankung gibt es den Standard SAE J2601.

Was gar nicht erwähnt wird, ist das Thema Wasserstoffqualität. Es mag nach einem Detailthema klingen, ist in der Praxis – sowohl technisch als auch in Bezug auf die Kosten – elementar, da Brennstoffzellen „Sensibelchen“ sind im Vergleich zu Verbrennungsmotoren. Auch wird kaum auf das Thema Wasserstoffsicherheit, insbesondere in der Fahrzeugkonstruktion – eingegangen.

Lässt man die fehlende Ausgewogenheit der Themen außer Acht und akzeptiert man, dass das Buch schon einige Jahre alt ist und mit der rasanten Entwicklung nicht Stand gehalten hat, ist es dennoch gut und kann getrost zum Kauf empfohlen werden.

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